Informationen zur aktuell laufenden Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ in den Arcaden Zwickau sowie zum Begleitprogramm.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Mit den Namen Hatikwah Zwickau oder Makkabi Zwickau verbinden sich für ehemalige Zwickauer Juden und ihre Nachfahren auf der gesamten Welt Erinnerungen, gute wie schlechte. Nur war die Erinnerung an die Geschichte der jüdischen Sportvereine in Zwickau fast in Vergessenheit geraten. Es dauerte fast ein Jahrhundert bis nach der Gründung des Jüdischen Turnvereins Zwickau durch Erschließung neuer Quellen und die Forschungsergebnisse von Lorenz Pfeiffer und Henry Wahlig zur jüdischen Sportgeschichte in Deutschland Licht ins Dunkel gebracht wurde. Die Stadt- und besonders Vereinsgeschichte von Zwickau sind damit um einen Aspekt erweitert wurden. Die Geschichte der Jüdischen Fußballvereine in der Muldenstadt sind typisch für die 1920er und 1930er Jahre. In den über 15 Jahren erwachte und wuchs zunächst das Vereinsleben und die sportlichen Aktivitäten innerhalb der jüdischen Gemeinde von Zwickau. Anschließend folgten Jahre zwischen Verschärfung und Liquidierung des Vereinslebens. Lange unentdeckt stehen die Forschungen zur Geschichte des Jüdischen Sports in Zwickau erst am Anfang.
Wir bedanken uns bei allen Personen und Einrichtung für die zur Verfügung gestellten Hinweise und Informationen:
– Dorit Seichter, Zwickau
– Dieter Völkel, Zwickau
– Norbert Peschke, Zwickau
– Tobias Mosebach, Zwickau
– Christian Fritzsch, Leipzig
– Philipp Natzke, Zürich
– Henry Wahlig, Bochum
– André Göhre, Leipzig
– Yuval Rubovitch, Leipzig/Jerusalem
Stellvertretend für alle Personen, die an der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte der Stadt Zwickau mitgewirkt haben, möchte wir an dieser Stelle Danke sagen bei:
– Marina Stroisch
– Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Zwickau e.V.
– Projektgruppe Geschichte des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums (vormals am Gerhart-Hauptmann-Gymnasium)

Zwickauer Fußballgeschichten e.V.

Einführung

In Zwickau waren Juden seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ansässig. Im Jahre 1330 wurde urkundlich erstmals eine „Judengasse“, die spätere Heinrichstraße (heute Katharinenstraße), genannt. Die wenigen jüdischen Familien (etwa acht bis zehn Familien) besaßen zeitlich begrenzte Schutzbriefe des Markgrafen zu Thüringen und Meißen. Um 1450 wurde in der Judengasse eine Synagoge in Zwickau erwähnt, die wahrscheinlich aber schon eher bestanden hat. Sie wurde im Jahre 1504 zerstört und die Juden vertrieben.
Gegen Geldzahlungen, die die Stadtkasse füllten, ließ die Obrigkeit sie zunächst wieder in Zwickau siedeln – bis zu den nächsten Vertreibungen durch den Kurfürsten Johann Friedrich in den Jahren 1536 und 1543. Lediglich die Durchreise zur Leipziger Messe über Zwickau war ihnen gegen Zahlung von hohen Geleitgeldern erlaubt. Allerdings besaßen die jüdischen Händler zum Ärger der Geleitseinnehmer oft kaiserliche oder kurfürstliche Schutzbriefe, was sie von den Zahlungen entband.
Erst nach der gesetzlichen Aufhebung vom 12. August 1869 wurde den Juden gestattet, sich in Sachsen auch in anderen Städten als in Dresden und Leipzig anzusiedeln. In der prosperierenden Industriestadt Zwickau siedelten sich zwischen 1870 und 1880 insgesamt 34 Juden an. Mit der rechtlichen Gleichstellung aller Juden war die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nun möglich, das heißt nach der Reichsgründung 1871 war es möglich, als gleichberechtigte Person in Vereine und Organisationen einzutreten. Um die Jahrhundertwende gehörten mehr als 10.000 Juden der deutschen Turnbewegung an.
Zurück nach Zwickau: Bis 1895 stieg die Zahl der jüdischen Einwohner auf 71 Menschen an. Eine selbstständige Kultusgemeinde wurde aber erst 1904 gegründet. In der Bahnhofstraße 8 bestand eine Andachtsstätte der Israelischen Religionsgemeinde Zwickau, die am 15. Juni 1905 eingeweiht wurde. An der Straße nach Schneppendorf konnte die jüdische Gemeinde einen Friedhof anlegen. Im November 1938 schändeten SA-Männer diesen Friedhof, entfernten Buchstaben und warfen Totensteine um. Um 1923 entstand in der Burgstraße 10, im ehemaligen Restaurant „Zur Roten Amsel“, ein Synagogenraum. Der Betsaal für den orthodoxen Gottesdienst hieß „Adass Isroel“. In der sogenannten „Reichskristallnacht“ (9. November 1938) legten die Nationalsozialisten in dem Gebäude Feuer und vernichteten das Inventar. Eine Religionsschule stand unter der Leitung des Rabbiners Dr. Eugen Gärtner. Ihm folgte 1930 Ephraim Ginsberg im Amt. In dieser Zeit (1924) existierten in Zwickau sechs jüdische Vereine, darunter aber nur ein Sportverein, der Jüdische Turnverein Zwickau „Hatikwah“. Bis 1926 erhöhte sich die Zahl der Vereine und Bünde auf 12. In diesem Jahr wohnten 496 Juden in Zwickau – die höchste Zahl in der Zwickauer Geschichte. Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde im Jahre 1905 war Gustav J. Tobias. Von 1911 bis zu seinem tödlichen Autounfall im Jahre 1929 fungierte Simon Schocken als sein Nachfolger. Danach war sein Bruder Salman Schocken der dritte Vorstand in Zwickau. Die Brüder Schocken betrieben in Zwickau den fünftgrößten Warenhaus-Konzern Deutschlands. Er hieß bis 1926 Ury Gebrüder, danach Schocken KG. Es existierten u. a. Warenhäuser in Zwickau (Hauptstraße), Planitz (Markt), Crimmitschau, Chemnitz, Stuttgart, Nürnberg und Waldenburg. Im Jahre 1907 gründeten Simon und Salman Schocken die Einkaufsfirma I. Schocken Söhne. Im Jahre 1938 musste der Konzern unter Wert verkauft werden (jetzt Merkur).
Am 1. April 1933 wurde der im ganzen Deutschen Reich organisierte Boykott jüdischer Geschäfte und Einrichtungen auch in Zwickau ausgeführt. An diesem Tag standen SA-Männer und Polizisten auch vor dem Warenhaus Schocken und ließen keine Kunden hinein. Anschließend folgte ein antijüdisches Gesetz dem nächsten. Nach dem 9. November 1938 waren alle jüdischen Zusammenkünfte, auch Sport, verboten.
Ab Mitte 1939 wurde die Liquidation der Jüdischen Gemeinde Zwickaus vorgenommen. Ende Oktober 1941 wurden fast alle noch in der Stadt verbliebenen Juden über Chemnitz in die Konzentrationslager „ausgesiedelt“. Nach Kriegsende waren nur noch fünf Zwickauer Juden registriert.

Erste Nachweise Jüdischen Sports in Zwickau

Obwohl eine jahrhundertelange Geschichte der Juden in Zwickau nachweisbar ist, so ist über den jüdischen Sport, respektive den Fußball, nur sehr wenig bekannt. Sicher werden sich nach dem Ersten Weltkrieg unter der Schirmherrschaft der jüdischen Turnerschaft Zwickauer Vereine gegründet haben, denn: Die nationaljüdisch orientierten Vereine der Jüdischen Turnerschaft konstituierten sich 1919 unter dem Namen „Deutscher Makkabi Kreis“ neu und wurden zwei Jahre später Teil des Makkabi-Weltverbands mit Sitz in Berlin. In den Folgejahren entstanden in der Weimarer Republik zahlreiche Vereine namens „Makkabi“ (=> der Hammergleiche, nach einem jüdischen Anführer) oder „Bar Kochba“ (=> jüdischer Militärführer im 2. Jhd.).
Aus Akten des Zwickauer Schulamtes von 1920 bis 1923 ist das Bemühen des bereits bestehenden jüdischen Turnvereins Zwickau im Namen des neu gegründeten jüdischen Turn- und Sportverein „Hatikwah“ Zwickau zur Überlassung einer Turnhalle für Übungszwecke dokumentiert. Der Verein „Hatikwah“ (Hymne der zionistischen Bewegung, seit 1948 Text der Nationalhymne Israels) gründete sich auf Zusammenschluss der Mitglieder des jüdischen Turn-Vereins Zwickau mit Namensänderung. Dem Antrag wurde stattgegeben, die Turnhalle der Georgenschule am Poetenweg konnte genutzt werden.

Namentlich bekannt ist die Schriftführerin des „Hatikwah“, E. Grosser. Sie gehörte zur in Zwickau ansässigen Familie Grosser, der auch Bernardo Grosser angehörte. Er war Torwart und Kapitän der Fußballmannschaft des „Hatikwah“. Von ihm stammt das derzeit einzige erhaltene Bild einer jüdischen Fußballmannschaft aus Zwickau. In einer Kurzbiografie schildert er seine Eindrücke vom Geschehen in Zwickau 1933 bis 1938. Ob die Fußballmannschaft schon bei Gründung des Vereins bestand, ist derzeit nicht bekannt.

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Bernardo Grosser – Erinnerungen

Bernardo Grosser kommt bereits 1910 im Alter von 4 Jahren mit seiner Familie nach Zwickau. Erinnerungen an die galizische Heimat, wo er am 2. Oktober 1906 in Kamionki Vijelki zur Welt kam, hatte er nicht mehr (Galizien => historische Landschaft im Gebiet des heutigen Südpolens bzw. der Westukraine).

Der Vater, David Grosser, verdient den Lebensunterhalt der Familie zunächst mit dem Aufkauf von Altmetallen, einer Tätigkeit, der damals viele Juden nachgehen. In kurzer Zeit etabliert sich der Altwarenhandel zu einem gut gehenden Geschäft. Die Familie erwirbt das Wohn- und Geschäftshaus Nordstraße 15 (heute Leipziger Straße) und unterhält einen Altwarenhandel neben einer Textilfabrikation.
Das Humanistische Gymnasium in der Schulstraße verlässt er vorzeitig und ohne Abschluss. Nach eigener Aussage leidet Bernardo furchtbar unter dem bereits zu Zeiten der Weimarer Republik praktizierten Antisemitismus an dieser Schule, den vor allem die an dieser Einrichtung lehrenden Studienräte zu verantworten haben. Aufgestachelt durch die Lehrer lassen die Mitschüler Bernardo Spießruten laufen. Sie traktieren ihn mit Schlägen, beschimpfen ihn und er fühlt die Ausgrenzung.
Gershom (Gustav) Schocken, Sohn des bekannten Kaufhausunternehmers, gibt ihm als enger Freund Halt in dieser schwierigen Zeit. Mit ihm verbringt Bernardo oft seine Freizeit. Schließlich kapituliert der Junge vor den Feindseligkeiten der Mitschüler und wechselt an die Handelsschule der Stadt, wo er die schulischen Voraussetzungen für eine kaufmännische Lehre erwerben kann. Bernardo verlebt im Kreise seiner jüdischen und wenigen nichtjüdischen Freunde eine glückliche Kindheit, hilft Vater und Bruder fleißig bei der anfallenden Arbeit in den beiden Geschäften.

1925 verlässt Bernardo im Alter von 19 Jahren seine Heimatstadt Zwickau, um in Annaberg/Erzgebirge ein eigenes Geschäft zu eröffnen, das Kleidung zum Ratenkauf anbietet. Doch nach wenigen Jahren zwingen wirtschaftliche Gründe den jungen Mann zur vorübergehenden Geschäftsaufgabe, er arbeitet zwischenzeitlich in einer Posamentenfabrikation der Erzgebirgsstadt. Das Verhältnis zu den in Zwickau lebenden Eltern und Geschwistern bleibt innig.
Am 1. April 1933 stehen auch vor seinem Geschäft in der Annaberger Hauptstraße drohend zwei SA-Männer, um dem reichsweit praktizierten Boykott jüdischer Geschäfte Nachdruck zu verleihen. Nach seiner Beschwerde in der örtlichen SA-Dienststelle, wo einige seiner Freunde saßen, verläuft Bernardo Grossers Arbeitsalltag wieder gleichmäßig und ohne antisemitische Zwischenfälle. Sonntags spielt er gemeinsam mit seinen Freunden der Fußballmannschaft, dessen Vizepräsident er ist, auf den Plätzen der Umgebung um die sportliche Qualifikation in der regionalen Tabelle. Ab 1936 mehren sich Übergriffe auf jüdische Bürger. Bernardo Grosser, nachdenklich geworden, beschließt schweren Herzens, die Heimat zu verlassen. Er reist zur Schwester Paula nach Brüssel, erwirbt eine Arbeitserlaubnis und wird Vertreter für Damenstrümpfe in Belgien und Frankreich. Die Eltern, der Bruder und seine Familie können sich zu diesem Schritt nicht entschließen. Zu hart haben sie in den vergangenen zehn Jahren für das Geschäft und das eigene Haus gearbeitet. Am 27. Oktober 1938 werden alle noch in Zwickau lebenden Familienangehörigen als polnische Staatsbürger in einer Sonderaktion ausgewiesen und über die polnische Grenze abgeschoben. Nur Bernardos Bruder Moses überlebt die ab 1939 folgenden Todeslager der NS-Diktatur.
Stolpersteine Seit Juni 2003 erinnern in Zwickau fünf „Stolpersteine“ vor dem Gebäude Leipziger Straße 15 an die Familienangehörigen Bernardo Grossers, die dem Holocaust zum Opfer fielen.


Im Sommer 1938 reist Bernardo Grosser auf den Rat eines Freundes nach Mailand. Aufgrund neuer Rassengesetze bekommt er kein Visum und kann nicht mehr ausreisen. Er bleibt in Italien und engagiert sich in der Flüchtlingshilfe. Im Dezember 1943 ist Bernardo Grosser zum Verlassen Italiens gezwungen und flieht in die Schweiz. Hier leitet er eine jüdische Schule und lernt eine ebenfalls im Exil lebende Italienerin (Vittoria Brunner), die als Lehrerin arbeitet, kennen und lieben. Doch erst im September 1945 können beide nach Italien zurückkehren, wo sie in Mailand noch im gleichen Jahr heiraten. 1946 reist Bernardo Grosser in die Heimatstadt Zwickau, um seinen Bruder zu treffen, der als einer der wenigen überlebenden Juden in die Stadt zurückkehrte. Moses verlor seine Eltern, die Frau und beide Töchter. Bald steht fest, er wandert nach Palästina aus. In Deutschland will Bernardo nicht bleiben, er geht zurück nach Italien, wo im gleichen Jahr sein Sohn geboren wird. Fünf Jahre später folgt eine Tochter. Bis 1972 lebt die Familie in Italien, bevor Bernardo Grosser gemeinsam mit seiner Frau nach Israel übersiedelt. Bis zu seinem Tod am 15. Mai 2003 wohnt er in Jerusalem. In Gesprächen verdeutlicht Bernardo Grosser stets, wie wichtig es ihm ist, die Erinnerungen an seine Heimatstadt Zwickau zu bewahren. Doch seine eigentliche Liebe gilt Italien und den Menschen dort, weil sie sein Leben gerettet haben.
Bernardo Grosser
„Ich habe mein Leben als Kind und Jugendlicher in Zwickau sehr geliebt. Der Beweis dafür ist, dass ich noch heute in meinen Träumen durch die Straßen dieser Stadt gehe. Die Häuser und Steine meiner Heimatstadt trifft keine Schuld, nur die Menschen, die darin wohnten.“ Bernardo Grosser

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Sportclub Hakoah Wien in Zwickau

Im Fußballsport ist das Spiel einer Zwickauer Auswahl, bestehend aus Spielern der bürgerlichen Vereine VfL und FC 02, am 4. August 1920 gegen den Wiener jüdischen Verein „Hakoah“ (=> die Kraft) auch überregional bekannt. Vielleicht war dies die erste Berührung mit dem jüdischen Fußball in Zwickau. Der „Hakoah“ befand sich auf einer Wettkampfreise durch Norddeutschland und Sachsen. Hier trug er fünf Spiele aus, dabei auch das in Zwickau vor 1.500 Zuschauern auf dem VfL-Platz an der heutigen Leipziger Straße (Nordplatz). Laut Spielbericht war das Spiel infolge Gewitter und Starkregen gefährdet, die Wiener bestanden jedoch auf der Austragung. Die spielstarken Österreicher gewannen relativ mühelos mit 5:0. Zu einem Rückspiel kam es nicht. Spielbericht  Sportclub Hakoah Wien gegen Zwickau Die Spieler Grünwald, Häusler und Katz wurden später österreichische Nationalspieler und 1925 mit Hakoah Fußballmeister in Österreich. Isodor Gansi bestritt 1923 für Rumänien ein Länderspiel. Hakoah Wien in Leipzig

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Die Bildung eigenständiger jüdischer Vereine

Jüdisch-National war die Makkabi-Bewegung, die bis 1921 unter der Deutschen Turnerschaft firmierte, aber später der Deutsche Kreis der Makkabi-Bewegung war. Die Zentrale und die Quelle dieses Sportes war der JTV Bar Kochba Berlin.

Wer vor 1933 in Deutschland als Jude Sport treiben wollte, war in Mehrheit in konfessionsneutralen Turn-und Sportvereinen organisiert. Andere wieder suchten den sportlichen Ausgleich in eigenen jüdischen Vereinen Bar Kochba, Makkabi, Schild oder VINTUS. Auch in Betriebssportgruppen war sportliche Betätigung angesagt. In Zwickau sind diese z. B. für das jüdische Warenhaus „Schocken“ oder das Kaufhaus „Friedrich Meyer“ zumindest Ende der 1920er Jahre nachweisbar. Die Besitzer traten dann oft auch als Mäzene von Sportvereinen auf. Unmittelbar nach ihrer Machtübernahme am 31. Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten mit der Verfolgung und Diskriminierung der Juden in allen gesellschaftlichen Bereichen. Der Sport bildete keine Ausnahme. Ziel war die „Arisierung“ des gesellschaftlichen Lebens in allen Bereichen. Besonders radikal und emsig geschah dies im Bereich der Deutschen Turnerschaft als größtem Verband innerhalb des Deutschen Reichsauschuss für Leibesübungen. Der sogenannte „Arierparagraf“, offiziell am 7. April 1933 erlassen, wurde u. a. vom Turnkreis Sachsen schon am 28. März 1933 beantragt. Am 24. Juli 1933 erteilte der Deutsche Turnerbund allen „nicht arischen“ Mitgliedern ein generelles Turnierteilnahmeverbot. Der Deutsche Fußballbund ließ sich nicht lange bitten und ergriff die Möglichkeit, gegen „Angehörige der jüdischen Rasse“ in Führungspositionen im Verband und Vereinen vorzugehen.

Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 in Deutschland war dies natürlich besonders den USA „ein Dorn im Auge“. Diese drohten mit Nichtteilnahme und die Nationalsozialisten wussten, andere Länder würden folgen. In den vom Reichssportführer erlassenen „Richtlinien für den Sportbetrieb von Juden und sonstigen Nichtariern“ vom 18. Juli 1934 zur Regelung des jüdischen Sports wurde verfügt, dass die „Bildung jüdischer Sportvereine und Betätigung jüdischer Sportler zulässig sei. Ebenso dürfe der Spiel- und Wettkampfbetrieb mit den Vereinen des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen (ab 1934) aufrechterhalten werden.
Den aus ihren Vereinen ausgeschlossenen jüdischen Sportlern blieb nur eine Möglichkeit: Wollten sie nicht auf ihren Sport verzichten, mussten sie einem der jüdischen Vereine beitreten, deren Existenzrecht in Hinblick auf die Olympischen Spiele zunächst unangetastet blieb, oder einen solchen gründen.

Das genaue Gründungsdatum von Makkabi Zwickau ist nicht bekannt. Der Verein wird im Oktober 1934 zum ersten Mal als Mitglied des Deutschen Makkabikreises aufgeführt („Wiener jüdisches Familienblatt“ v. November 1934). Da es in der Spielzeit 1934/35 noch keinen Ligabetrieb in Mitteldeutschland gab, führte der Verein zunächst Freundschaftsspiele durch. Die ersten Spiele sind für Februar 1935 nachweisbar:
Februar 1935 gegen Makkabi Chemnitz II 0:3
Februar 1935 gegen Makkabi Chemnitz II 3:3
Februar 1935 gegen Schild Chemnitz 6:2

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Weitere Spielberichte/ Ergebnisse in chronologischer Reihenfolge:

Der Zwickauer Makkabi trat am 3. März 1935 in Leipzig gegen die dortige 2. Mannschaft von Bar Kochba zu einem Freundschaftsspiel an und siegte „nach sehr schönem Spiel“ mit 3:2. „Von der Zwickauer Mannschaft ist bei eifrigem Training noch mehr zu erwarten“, wird berichtet. Erwähnt werden auch im Spielbericht vom 14. März 1935 als herausragende Spieler Torwart Rieser und Linksaußen Looser. Weitere Ergebnisse waren:
April 1935 gegen Schild Leipzig II 5:4. Hieran war bemerkenswert, dass Zwickau einen 1:4 Halbzeit- rückstand wettmachte und noch siegreich blieb!
5. Mai 1935 gegen Schild Chemnitz 7:2. Dies war bis dato das wahrscheinlich beste Spiel der Zwickauer Makkabi-Elf, zumal noch in Chemnitz ausgetragen!
12. Mai 1935 gegen Makkabi Chemnitz 2:4 (in Chemnitz)
19. Mai 1935 gegen Bar Kochba Dresden 2:9 (Radrennbahn Dresden-Reick)
2. Juni 1935 Bar Kochba Leipzig gegen Makkabi Chemnitz-Zwickau 2:1
2. Juni 1935 Bar Kochba Leipzig II gegen Makkabi Chemnitz-Zwickau II 2:1
Gespannt sah man den anstehenden Rundenspielen entgegen, an denen mit Beginn der Spielzeit 1935/36 Zwickau in der Makkabi-Bezirksliga teilnahm. In dieser trafen die Zwickauer regelmäßig auf verschiedene Makkabi-Vereine aus Berlin und Mitteldeutschland. Am 7. Juli 1935 eröffnete der Verein mit Spielen gegen Makkabi Chemnitz (1. Knaben- und 1. Herren-Mannschaft) einen neuen Sportplatz. Der Einweihung wohnten etwa 300 Besucher bei (eine Adresse der Anlage ist derzeit leider nicht bekannt). In einem Knaben-Werbespiel vor der Hauptbegegnung setzte sich der Makkabi Chemnitz gegen eine kombinierte Mannschaft aus Zwickau und Gera mit 4:1 durch. Das anschließende erste Rundenspiel konnte Makkabi Zwickau nach überlegenem Spiel viel zu knapp gegen Makkabi Chemnitz mit 1:0 für sich entscheiden.
28. Juli 1935: Bar Kochba Zwickau gegen Bar Kochba Leipzig 2:8
11. August 1935 gegen Bar Kochba Dresden (Ergebnis bisher unbekannt) (Rundenspiel in Zwickau)
Außer den Rundenspielen ist im September 1935 die Teilnahme an einem Dreistädteturnier mit Leipzig und Chemnitz dokumentiert. Im September 1935 verlor Makkabi Zwickau in Halle gegen Bar Kochba sein Rundenspiel auch in der Höhe verdient mit 1:4 (1:2).
Im Januar 1936 musste Zwickau eine Spielgemeinschaft mit Makkabi Chemnitz eingehen. Von diesem Zeitpunkt an trugen die beiden Mannschaften ihre Rundenspiele nur noch als kombinierte Mannschaft aus. Lediglich in Freundschaftsspielen traten die Zwickauer noch mit einer eigenen Mannschaft an.
Januar 1936 Chemnitz-Zwickau gegen Bar Kochba Leipzig 2:1
2. Februar 1936 Chemnitz-Zwickau gegen Bar Kochba Halle 8:1 (Rundenspiel in Zwickau)
8. März 1936 Chemnitz-Zwickau gegen J. S. K. Berlin

19. April 1936 Chemnitz-Zwickau gegen J.S.K. Berlin 3:1
26. April 1936 Hagibor Berlin – Makkabi Chemnitz-Zwickau 2:0
28. Juni 1936 Bar Kochba Leipzig (AH verstärkt) gegen Makkabi Zwickau 3:0
9. August 1936 Makkabi Zwickau gegen Schulmannschaft Bar Kochba Leipzig 4:4 (0:3)

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Zwickauer (Auswahl-) Spieler

Namentlich bekannte Mitglieder des Zwickauer Makkabi-Vereins waren Looser, Lichtwitz, Kahn, Rieser als Torwart (Vornamen unbekannt) und Hans Stern. Lichtwitz wurde Ende 1935 in die mitteldeutsche Makkabi-Auswahl berufen. In den Spielen um den Makkabi-Pokal verlor er mit der Auswahlmannschaft erst im Finale am 24. November 1935 in München gegen Bayern mit 0:1. Im August 1936 wurde neben Lichtwitz auch der Zwickauer Kahn für ein weiteres Spiel der mitteldeutschen Auswahl nominiert, das letztlich aber nicht ausgetragen wurde. Hans Stern (*1924) war als Jugendlicher bei Makkabi Zwickau und als Gymnasiast Mitglied bei Bar Kochba Berlin. 1939 emigrierte er nach Palästina.

Wie lange beide Zwickauer Vereine in der Folge noch bestanden, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Der Makkabi Chemnitz war auch Anfang 1938 noch aktiv, ob weiter mit Zwickauer Spielern, ist nicht bekannt.

Nach dem Verbot der Jüdischen Turn- und Sportvereine entwickelten sich die unterschiedlichen Interessen auseinander und dokumentieren sich nach der nationalsozialistischen Machtübernahme auch in der Weiterführung jüdischer Sportvereine. In den ersten Jahren nach 1933 genehmigten die Behörden sportliche Aktivitäten jüdischer Bürger. Mit Rücksicht auf die außenpolitische Wirkung vor den Olympischen Spielen 1936 erließ der Reichssportführer Ende 1933 neue Direktiven, wonach die Spitzenverbände Schild und Makkabi anerkannt und den Sportvereinen vor Ort Rechte eingeräumt wurden.

Schriftquellen:
  • „Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum – Gemeinden U-Z“, Zwickau – K.-D. Alicke, Winsen (Aller) 2014/2017
  • „Elf Freunde“ – „Verlorene Helden“ von Lorenz Peiffer und Henry Wahlig (Universität Hannover) im Auftrag des DFB – Verlag „Elf Freunde“, Berlin 2014
  • Gemeindeblatt der Israelitischen Religions-Gemeinde Dresden (diverse Jahrgänge)
  • Gemeindeblatt der Israelitischen Religions-Gemeinde Leipzig (diverse Jahrgänge)
  • Jüdische Zeitung für Mittelsachsen (Chemnitz, Annaberg, Zwickau, Plauen, diverse Jahrgänge)
  • Jüdische Rundschau (diverse Jahrgänge)
  • Israelitisches Familienblatt (diverse Ausgaben Jahrgänge 1935 u. 1936) Lexikon Jüdischer Vereine Die ‚Arisierung’ des deutschen Sports im Nationalsozialismus – Thyll Warmbold (Examenarbeit, Göttingen, 29.03.2007)
Fotoquellen:
  • Fußballmannschaft „Hatikwah“ Zwickau
  • Foto aus Privatbesitz von Bernardo Grosser, D. Seichter 2000 zur Verfügung gestellt.
  • Fußballmannschaft Hakoah Wien – Arbeiterfußball, Yuval Rubovitch (Archiv des Maccabi-Museums Israel)
  • Rat der Stadt Zwickau – Schulamt Akten 1920 bis 1923
  • Bernardo Grosser – Der Weg in die Emigration (Privatbesitz Bernardo Grosser, D. Seichter 2000 zur Verfügung gestellt)

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