13.11.2007 - Exempel oder gerechtes Strafmaß?

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Exempel oder gerechtes Strafmaß?

Zum ersten Mal wurde ein deutscher Fußballverein im Männerbereich mit Punktabzug wegen Rassismus verurteilt

Für Fußball-Oberligist FSV Zwickau dürfte die Saison gelaufen sein. Die Schmach des Abstiegs (nur ein Verein) wird dem Traditionsclub sicher erspart bleiben. Doch den vor Saison avisierten Aufstieg (mindestens Platz 4) müssen die auf dem Rasen von Beginn an schwächelnden Westsachsen wohl abhaken, zumal Zwickau am Saisonende drei Punkte abgezogen werden. Gegen das Urteil des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV) wird der Verein wohl Berufung einlegen. Gestern Abend tagte zu diesem Thema der Vorstand. Für den Rechtsbeistand des FSV, Anwalt Fritz Binder, war schon vorher klar: "Ich empfehle zu 100 Prozent, in Berufung zu gehen."

Die Erfolgsaussichten scheinen gering. Bei einer Niederlage vor Gericht würde der FSV als erster deutscher Verein im Männerbereich, der wegen rassistischer Vorfälle mit Punktabzug bestraft wird, unrühmlich in die Geschichte eingehen. In den zu erwartenden Verhandlungen geht es um die Frage, ob das Strafmaß im Verhältnis zu den Vorfällen beim Spiel des FSV am 20. Oktober gegen den Chemnitzer FC steht. CFC-Stürmer Bakary Sinaba aus Mali war damals in der Schlussphase eingewechselt worden, begleitet von "Urwald-Rufen". Die im Stadion anwesenden NOFV-Sicherheitsbeauftragten Gerd Milek und Bernd Stumpf hielten neben der im CFC-Fanblock gezündeten Rauchbombe im Spielprotokoll fest, dass die Rufe "aus dem Block A in minderer Intensität" zu vernehmen waren. Laut Binder habe der Verein mit dazu beigetragen, dass die Rufe nach den ersten Aktionen des Schwarzafrikaners unterbunden wurden. "Es gab schon öfter diese Vorfälle in Stadien, komischerweise trifft es den FSV mit dieser Härte. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man ein Exempel statuieren will", meint Fritz Binder.

Warum dies so sein sollte, weiß er nicht. Nach "Freie-Presse"-Recherchen könnte sogar Binder selbst dazu beigetragen haben. Denn der Anwalt gab gestern auf Anfrage zu, in der Stellungnahme des Vereins an den NOFV für die Einstellung des Verfahrens wegen "untergeordneten Ausmaßes" plädiert zu haben. Untergeordneten Ausmaßes? Bei Fremdenhass? Womöglich hat Binder im Vergleich zu ähnlich rassistischen Auswüchsen in Fußballstadien (siehe nebenstehender Kasten) nicht Unrecht. Doch egal welchen Ausmaßes die Beleidigungen stattfanden, widerspricht die Stellungnahme der Sache an sich - und auch dem strikten Kampf des Deutschen Fußball-Bundes gegen Rassismus. DFB-Boss Zwanziger betont immer wieder, mit aller Härte gegen Fremdenhass vorgehen zu wollen. Die Berufung der dunkelhäutigen Steffi Jones zur OK-Präsidentin für die Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland spricht für sich. Nicht auszuschließen, dass das NOFV-Sportgericht die Haltung des FSV Zwickau als "ignorant" einstufte. "Ich kommentiere das Urteil nicht und äußere mich auch nicht zur Stellungnahme des FSV", wollte der Vorsitzende des NOFV-Sportgerichtes, Wolfgang Zimutha, nicht zur Aufklärung beitragen. Zumindest sagte der Dresdner Anwalt, dass ein Urteil unter Beachtung der Vorstrafen gefällt wurde. Er empfahl, sich über die Vereine und der ihnen zugestellten Urteilsbegründung zu informieren. Danach beruht das Strafmaß auch auf einem Transparent mit der Aufschrift "Perverse Menschenfresser", an dem sich der NOFV seit längerem stört und am 20. Oktober erneut im Stadion gesichtet wurde. Lauth Zimutha habe der NOFV den FSV am 8. Februar 2007 schriftlich aufgefordert, dafür zu sorgen, dass "dieser Unsinn entfernt wird". Bis heute habe der Verband keine Antwort erhalten. FSV-Präsident Frank Weigel weiß nur, dass "dieses Plakat Gegenstand der Diskussionen war". Binder sagt: "Ich kenne das Schriftstück nicht."

Rassismus-Urteile

9. September 2006: Wegen "Affengebrülls" gegen Gerald Asamoah (Schalke) im DFB-Pokalspiel bei Hansa Rostock II werden die Rostocker vom DFB-Sportgericht wegen "unsportlichen Verhaltens" mit einer Geldstrafe von 20.000 Euro belegt. Zudem muss die Hansa-Reserve ihre nächste Oberliga-Heimpartie als "Geisterspiel" austragen.

16. September 2006: Beim Bundesligasieg (4:2) von Aachen gegen Mönchengladbach beleidigen Alemannia-Fans Gästestürmer Kahe mit Sprechchören "Asylanten, Asylanten". Schiedsrichter Weiner droht mit Spielabbruch. Im Gegenzug verunglimpfen die Gladbach-Fans Alemannias Moses Sichone. Aachen wird zu 50.000, Gladbach zu 19.000 Euro Geldstrafe verurteilt.

26. September 2006: In der Kreisligapartie VSG Altglienicke II gegen TuS Makkabi IIbekommen die vorwiegend jüdischen TuS-Spieler antisemitische Parolen (u. a. "Jude verrecke", "Wir bauen eine U-Bahn nach Auschwitz") zu hören. Altglienicke wird zu zwei Heimspielen vor leeren Rängen verurteilt. Die Spieler müssen ein Anti-Rassismus-Seminar besuchen. Schiri Brüning, der nichts gehört haben will und die Partie wegen der geschlossenen Spielverweigerung der Makkabi-Kicker in der 78. Minute abbrach, wird zunächst auf Lebenszeit gesperrt, danach wegen Formfehler im Verfahren freigesprochen.

17. Mai 2007: Ausländische Spieler des VfB Chemnitz werden in einem C-Jugendspiel der Landesliga beim ATSV Frisch Auf Wurzen von jugendlichen Wurzener Fans mit rassistischen Parolen beleidigt. Das Sportgericht des Sächsischen Fußball-Verbandes (SFV) belegt den Verein mit Geldstrafe (1200 Euro), Punktabzug und Spielsperre.

18. August 2007: Wegen "einer herabwürdigenden und verunglimpfenden Äußerung" gegen Asamoah wird Roman Weidenfeller von Borussia Dortmund für drei Bundesligaspiele suspendiert und muss 10.000 Euro zahlen. Der BVB-Torhüter soll den Schalker angeblich als "schwarzes Schwein" tituliert haben. Weidenfeller streitet dies jedoch vehement ab.

(Quelle: Thomas Prenzel; Freie Presse vom 13.11.2007)

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